Text Elisa Erkelenz
Titelbild Jill Steinberg
Videos Florian Schmuck
Januar 2018. Mit ihrem indischen Harmonium betritt die ukrainische Sängerin Mariana Sadovska die Bühne des Thalia Theaters. Der Schriftsteller Navid Kermani stellt vor ausverkauftem Haus sein neues Buch »Entlang den Gräben vor«, eine Reihe von Reisereportagen zwischen Auschwitz und Isfahan, gelesen von dem Schauspieler Sebastian Rudolph und ihm selbst. Auch Sigmar Gabriel, derzeit amtierender Außenminister, ist da. Kermanis Buch zum Anlass nehmend, diskutieren sie über die Gräben, die sich aktuell durch Osteuropa ziehen.
Nach einer Stunde Gespräch erhebt Mariana Sadovska ihre Stimme. Der Saal ist urplötzlich still. Mit schwarzglänzenden Federn um ihren Hals singt sie ein altes ukrainisches Lied vom Tod.
Über 12.000 Menschen hat der vor allem auf der Krim sowie im industriellen Donbass-Becken geführte Krieg zwischen prorussischen Rebellen und ukrainischen Streitkräften bereits das Leben gekostet. Millionen haben ihre Heimat verlassen. »Aber hier redet niemand drüber, oder?« Mariana Sadovska hat inzwischen mit ihrem Federkleid auf dem Stuhl von Sigmar Gabriel Platz genommen, der zurück nach Berlin musste. Zärtlich durchbohrt sie mit nur scheinbar naiven Fragen die Gesprächsrunde. Sie sei keine Politikerin, aber… Jemanden wie Putin zu stoppen, das müsse doch möglich sein?
Das gesungene Lied, so fügt sie hinzu, handele von einem Sohn, der sich von seiner Mutter verabschiedet, wissend, dass er auf ›fremden Boden‹ sterben wird. Gefunden hat es Sadovska, die inzwischen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Köln lebt, bei einer ihrer vielzähligen Forschungsreisen in verlassene Dörfer der Ukraine.
Die Lieder, die Mariana Sadovska auf ihren unermüdlichen Recherchen sammelt und akribisch dokumentiert, sind in der Ukraine selbst kaum bekannt. Auch musikalisch verlaufen die ideologischen Ost-West-Gräben hier seit jeher tief: Am State Music College in Lemberg, wo Sadovska in den 80er Jahren Klavier studiert, lernt sie Chopin und Tschaikowski rauf und runter zu spielen. Zeitgenössische Musik hat während der Sowjet-Ära den Ruf als »bourgeoises Zeug aus dem Westen«, das es zu verachten gilt. Und das, was sie als Volksmusik kennen lernt, beschreibt sie als »Kanon sowjetisch verkitschter Folklore«, mit einfachen Liedern über Lenin, Kolchose und Revolution:
Erst über einen Umweg entdeckt Sadovska so die drohnenhaften, archaischen und zum Teil religiösen Lieder, die die Ukraine neben Georgien oder Bulgarien auf der Landkarte der Polyphonie verorten könnten. 1991 geht sie auf der Suche nach einem Bruch zu ihrem klassischen Studium zum international renommierten, experimentellen Gardzienice Theater nach Polen. Der Regisseur Włodzimierz Staniewski hat es auf der Suche nach einem »nicht kontaminierten Publikum« mitten auf dem Land im Osten, unweit der ukrainischen Grenze, gegründet. Dort, wo sich »der Teufel gute Nacht« sagt, sucht das experimentelle Kollektiv, dem sich Sadovska für zehn Jahre als musikalische Leiterin anschließt, nach der Urform jeglicher Art von Kunst.
An ihre erste Begegnung mit den archaischen Gesängen erinnert sie sich genau: »Das war in den Karpaten, ganz oben in den Bergen. Da habe ich eine Frau vor ihrem Haus singen hören. Ihre Stimme war unglaublich, wie ein Brunnen, in den du 1000 Jahre schauen kannst. Ich wollte alles vergessen, was ich im Studium gelernt hatte und verstehen, wie diese Stimmen funktionieren.«
In der archaischen Polyphonie mit ihren diversen Stimmtechniken, die von Region zu Region variieren, entdeckt Sadovska über die Improvisation eine für sie neue Form musikalischer Freiheit. »Ich liebe dieses Phänomen, dass die Frauen sagen: Das ist mein Lied. Sie haben es Hunderte von Malen gehört machen es sich zu eigen.« In den zum Teil abstrakten Rezitativen werden Geschichten aus dem Alltag erzählt, von Liebe, Tod, Frühling und Krieg, ohne Melodie – bis sie wie aus dem Nichts wieder in ein Lied einstimmen. Sie beginnen zu singen, wenn ihnen die Worte fehlen.
Die puristische Aufführung des Gehörten interessiert Sadovska dabei künstlerisch nicht, ohnehin sei der Kontext längst ein anderer. Sie reizt, was aus dem Material in ihr entsteht. Die gehörten Lieder nimmt sie mitsamt der erzählten Geschichten als Ur-Material und lässt es zum Teil Jahre lang in sich arbeiten, bis sie zu einer eigenen Fassung kommt.
Immer wieder versucht Mariana Sadovska, sich künstlerisch von den Gesängen zu lösen, die Quelle der Inspiration woanders zu finden. Ganz will es ihr bei aller Lust zum Experiment nicht gelingen. Auch nicht, als sie 2001 mit einem Stipendium der Earth Foundation von Polen nach New York kommt. Hier trifft sie auch auf den Geiger David Harrington vom Kronos Quartett. Es ist ein Match. Auf die Frage nach ihrer Heimat erzählt sie irgendwann von Tschernobyl. Davon, wie wenig die Katastrophe heute noch in den Köpfen ist. Von dem Menschen gemachten Naturunglück, aber auch von der ausradierten Kultur der Dörfer, deren Gesänge heute nicht mehr erklingen.
Kurzerhand gibt ihr das Kronos Quartett einen Kompositionsauftrag für Streichquartett, Stimme und ihr indisches Harmonium. In einem »heidnischen Requiem« verbindet sie die archaisch-zeremonielle Musik der nördlichen Ukraine mit zeitgenössischen Klangsprachen. Es wird ein Wendepunkt in ihrer Laufbahn als Künstlerin. Im »bourgeoisen Zeug aus dem Westen« entdeckt sie ihre zweite musikalische Heimat.
Für den Markt wird ihre traditionell verwurzelte, performative Avantgarde derweil immer sperriger. Für die Neue Musik sei sie zu traditionell, für die Weltmusik zu experimentell. Sie bleibt im Dazwischen, ist schwierig einzuordnen. »Ich bin wie Schafskäse aus Kuhmilch«, sagt sie lachend, ohne ihre Rage zu verstecken. »Warum braucht man für alles eine Schublade?«
Langsam kommt sie dennoch in der Kölner Szene an, wird zum Festival Acht Brücken geladen, Komponisten wie Michael Ellison und Brigitta Muntendorf interessieren sich für ihre Stimmtechniken. Mit dem Schlagzeuger und Elektronik-Künstler Christian Thomé formt sie ein Duo, in dem sie die ukrainischen Lieder mit Elektronik verzerrt und aufspreizt. »Vesna«, was übersetzt »Frühling« bedeutet, wird ihre erste gemeinsame Aufnahme.
Als im Februar 2014 die Proteste auf dem Maidan eskalieren, verbringt sie Stunden um Stunden vor dem Computer und verfolgt im Live-Ticker, was auf dem Platz passiert, auf dem auch ihre Familie und ihre Freunde demonstrieren. Irgendwann sagt ihr Mann: »Entweder du bist hier, oder du bist da.« Sie fährt.
In Mariupol am Asowschen Meer startend fährt sie mit Hilfstransporten und weiteren Künstler*innen über Sloviansk nach Kostiantyniva und Volnovacha in der Donbass-Region, mitten in die Gräben. Zunächst verschlägt, was sie erlebt, ihr die Stimme. Doch die Menschen fordern sie auf, zu singen. »Das Stärkste war, zu entdecken, wie Leute Musik hören. Ich habe das nie woanders erlebt. Kinder und Soldaten, sie alle haben Stundenlang zugehört. Wenn ich aufhören wollte, haben sie gerufen: ›Bitte weiter‹«.
Es kommt ihr vor wie eine Zeitreise in ein falsches Jahrhundert. Sie spielt in Bunkern und in Kirchen, in Schulen gibt sie Workshops. Ob sie keine Angst hatte, selbst getroffen zu werden? »Ich habe noch mehr Angst vor dem Leben in Illusion«, lautet ihre Antwort. Sie will sich ein eigenes Bild machen, vom Leben an der Grenze, das doch normaler weitergeht, als es ihr medial zuvor erschien. Oft stellt sie sich dennoch die Frage, ob es möglich sei, in Zeiten des Krieges Musik zu machen. In ihrem Programm »The Night Is Just Beginning« lässt sie ihre Stimme zu einem Gedicht der jungen Ukrainerin Lyuba Jakhimchuk verwesen. »Nein, es ist nicht möglich«, sagt sie schließlich. »Aber alles andere eben auch nicht.«
Zurück in Köln fällt es Sadovska nach den 2014–2016 gemachten Erfahrungen in den Kriegsregionen und dem andauernden Konflikt zunächst schwer, wieder Konzerte zu geben. Wenn sie auftritt, holt sie auf den Bühnen ob in Köln oder New York ein anderes Gefühl ein. »Der Tod spielt hier keine Rolle. Er scheint so weit weg. Hier habe ich das Gefühl, ich will gegen die Illusion anschreien, die Leute wachrütteln!«.
Sie macht weiter, arbeitet immer enger auch mit Schriftstellern zusammen, die in Worte fassen, was sie erlebt hat, ob mit dem ukrainischen Star-Literaten Serhij Zhadan oder mit Navid Kermani, der in ihr seine Stimme der Gräben gefunden hat.
Was Mariana Sadovska an jenem Abend im Januar 2018 im Thalia Theater nicht erzählt: 2014 wurde das gesungene Lied über den Sohn und seine Mutter im Rahmen der Maidan-Revolution in ihrer Version aufgegriffen. Viral verbreitet es sich zu einer Art Hymne für die auf dem Platz getöteten Demonstranten.
Das zweite Lied, das sie an jenem Abend anstimmt, handelt von einem Vogel. »In der ukrainischen Mythologie ist der Vogel eine wiederkehrende und wichtige Figur«, erzählt sie. »Er überbrückt die Gräben.« ¶
Text Elisa Erkelenz
Titelbild Jill Steinberg
Videos Florian Schmuck
Januar 2018. Mit ihrem indischen Harmonium betritt die ukrainische Sängerin Mariana Sadovska die Bühne des Thalia Theaters. Der Schriftsteller Navid Kermani stellt vor ausverkauftem Haus sein neues Buch »Entlang den Gräben vor«, eine Reihe von Reisereportagen zwischen Auschwitz und Isfahan, gelesen von dem Schauspieler Sebastian Rudolph und ihm selbst. Auch Sigmar Gabriel, derzeit amtierender Außenminister, ist da. Kermanis Buch zum Anlass nehmend, diskutieren sie über die Gräben, die sich aktuell durch Osteuropa ziehen.
Nach einer Stunde Gespräch erhebt Mariana Sadovska ihre Stimme. Der Saal ist urplötzlich still. Mit schwarzglänzenden Federn um ihren Hals singt sie ein altes ukrainisches Lied vom Tod.
Über 12.000 Menschen hat der vor allem auf der Krim sowie im industriellen Donbass-Becken geführte Krieg zwischen prorussischen Rebellen und ukrainischen Streitkräften bereits das Leben gekostet. Millionen haben ihre Heimat verlassen. »Aber hier redet niemand drüber, oder?« Mariana Sadovska hat inzwischen mit ihrem Federkleid auf dem Stuhl von Sigmar Gabriel Platz genommen, der zurück nach Berlin musste. Zärtlich durchbohrt sie mit nur scheinbar naiven Fragen die Gesprächsrunde. Sie sei keine Politikerin, aber… Jemanden wie Putin zu stoppen, das müsse doch möglich sein?
Das gesungene Lied, so fügt sie hinzu, handele von einem Sohn, der sich von seiner Mutter verabschiedet, wissend, dass er auf ›fremden Boden‹ sterben wird. Gefunden hat es Sadovska, die inzwischen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Köln lebt, bei einer ihrer vielzähligen Forschungsreisen in verlassene Dörfer der Ukraine.
Die Lieder, die Mariana Sadovska auf ihren unermüdlichen Recherchen sammelt und akribisch dokumentiert, sind in der Ukraine selbst kaum bekannt. Auch musikalisch verlaufen die ideologischen Ost-West-Gräben hier seit jeher tief: Am State Music College in Lemberg, wo Sadovska in den 80er Jahren Klavier studiert, lernt sie Chopin und Tschaikowski rauf und runter zu spielen. Zeitgenössische Musik hat während der Sowjet-Ära den Ruf als »bourgeoises Zeug aus dem Westen«, das es zu verachten gilt. Und das, was sie als Volksmusik kennen lernt, beschreibt sie als »Kanon sowjetisch verkitschter Folklore«, mit einfachen Liedern über Lenin, Kolchose und Revolution:
Erst über einen Umweg entdeckt Sadovska so die drohnenhaften, archaischen und zum Teil religiösen Lieder, die die Ukraine neben Georgien oder Bulgarien auf der Landkarte der Polyphonie verorten könnten. 1991 geht sie auf der Suche nach einem Bruch zu ihrem klassischen Studium zum international renommierten, experimentellen Gardzienice Theater nach Polen. Der Regisseur Włodzimierz Staniewski hat es auf der Suche nach einem »nicht kontaminierten Publikum« mitten auf dem Land im Osten, unweit der ukrainischen Grenze, gegründet. Dort, wo sich »der Teufel gute Nacht« sagt, sucht das experimentelle Kollektiv, dem sich Sadovska für zehn Jahre als musikalische Leiterin anschließt, nach der Urform jeglicher Art von Kunst.
An ihre erste Begegnung mit den archaischen Gesängen erinnert sie sich genau: »Das war in den Karpaten, ganz oben in den Bergen. Da habe ich eine Frau vor ihrem Haus singen hören. Ihre Stimme war unglaublich, wie ein Brunnen, in den du 1000 Jahre schauen kannst. Ich wollte alles vergessen, was ich im Studium gelernt hatte und verstehen, wie diese Stimmen funktionieren.«
In der archaischen Polyphonie mit ihren diversen Stimmtechniken, die von Region zu Region variieren, entdeckt Sadovska über die Improvisation eine für sie neue Form musikalischer Freiheit. »Ich liebe dieses Phänomen, dass die Frauen sagen: Das ist mein Lied. Sie haben es Hunderte von Malen gehört machen es sich zu eigen.« In den zum Teil abstrakten Rezitativen werden Geschichten aus dem Alltag erzählt, von Liebe, Tod, Frühling und Krieg, ohne Melodie – bis sie wie aus dem Nichts wieder in ein Lied einstimmen. Sie beginnen zu singen, wenn ihnen die Worte fehlen.
Die puristische Aufführung des Gehörten interessiert Sadovska dabei künstlerisch nicht, ohnehin sei der Kontext längst ein anderer. Sie reizt, was aus dem Material in ihr entsteht. Die gehörten Lieder nimmt sie mitsamt der erzählten Geschichten als Ur-Material und lässt es zum Teil Jahre lang in sich arbeiten, bis sie zu einer eigenen Fassung kommt.
Immer wieder versucht Mariana Sadovska, sich künstlerisch von den Gesängen zu lösen, die Quelle der Inspiration woanders zu finden. Ganz will es ihr bei aller Lust zum Experiment nicht gelingen. Auch nicht, als sie 2001 mit einem Stipendium der Earth Foundation von Polen nach New York kommt. Hier trifft sie auch auf den Geiger David Harrington vom Kronos Quartett. Es ist ein Match. Auf die Frage nach ihrer Heimat erzählt sie irgendwann von Tschernobyl. Davon, wie wenig die Katastrophe heute noch in den Köpfen ist. Von dem Menschen gemachten Naturunglück, aber auch von der ausradierten Kultur der Dörfer, deren Gesänge heute nicht mehr erklingen.
Kurzerhand gibt ihr das Kronos Quartett einen Kompositionsauftrag für Streichquartett, Stimme und ihr indisches Harmonium. In einem »heidnischen Requiem« verbindet sie die archaisch-zeremonielle Musik der nördlichen Ukraine mit zeitgenössischen Klangsprachen. Es wird ein Wendepunkt in ihrer Laufbahn als Künstlerin. Im »bourgeoisen Zeug aus dem Westen« entdeckt sie ihre zweite musikalische Heimat.
Für den Markt wird ihre traditionell verwurzelte, performative Avantgarde derweil immer sperriger. Für die Neue Musik sei sie zu traditionell, für die Weltmusik zu experimentell. Sie bleibt im Dazwischen, ist schwierig einzuordnen. »Ich bin wie Schafskäse aus Kuhmilch«, sagt sie lachend, ohne ihre Rage zu verstecken. »Warum braucht man für alles eine Schublade?«
Langsam kommt sie dennoch in der Kölner Szene an, wird zum Festival Acht Brücken geladen, Komponisten wie Michael Ellison und Brigitta Muntendorf interessieren sich für ihre Stimmtechniken. Mit dem Schlagzeuger und Elektronik-Künstler Christian Thomé formt sie ein Duo, in dem sie die ukrainischen Lieder mit Elektronik verzerrt und aufspreizt. »Vesna«, was übersetzt »Frühling« bedeutet, wird ihre erste gemeinsame Aufnahme.
Als im Februar 2014 die Proteste auf dem Maidan eskalieren, verbringt sie Stunden um Stunden vor dem Computer und verfolgt im Live-Ticker, was auf dem Platz passiert, auf dem auch ihre Familie und ihre Freunde demonstrieren. Irgendwann sagt ihr Mann: »Entweder du bist hier, oder du bist da.« Sie fährt.
In Mariupol am Asowschen Meer startend fährt sie mit Hilfstransporten und weiteren Künstler*innen über Sloviansk nach Kostiantyniva und Volnovacha in der Donbass-Region, mitten in die Gräben. Zunächst verschlägt, was sie erlebt, ihr die Stimme. Doch die Menschen fordern sie auf, zu singen. »Das Stärkste war, zu entdecken, wie Leute Musik hören. Ich habe das nie woanders erlebt. Kinder und Soldaten, sie alle haben Stundenlang zugehört. Wenn ich aufhören wollte, haben sie gerufen: ›Bitte weiter‹«.
Es kommt ihr vor wie eine Zeitreise in ein falsches Jahrhundert. Sie spielt in Bunkern und in Kirchen, in Schulen gibt sie Workshops. Ob sie keine Angst hatte, selbst getroffen zu werden? »Ich habe noch mehr Angst vor dem Leben in Illusion«, lautet ihre Antwort. Sie will sich ein eigenes Bild machen, vom Leben an der Grenze, das doch normaler weitergeht, als es ihr medial zuvor erschien. Oft stellt sie sich dennoch die Frage, ob es möglich sei, in Zeiten des Krieges Musik zu machen. In ihrem Programm »The Night Is Just Beginning« lässt sie ihre Stimme zu einem Gedicht der jungen Ukrainerin Lyuba Jakhimchuk verwesen. »Nein, es ist nicht möglich«, sagt sie schließlich. »Aber alles andere eben auch nicht.«
Zurück in Köln fällt es Sadovska nach den 2014–2016 gemachten Erfahrungen in den Kriegsregionen und dem andauernden Konflikt zunächst schwer, wieder Konzerte zu geben. Wenn sie auftritt, holt sie auf den Bühnen ob in Köln oder New York ein anderes Gefühl ein. »Der Tod spielt hier keine Rolle. Er scheint so weit weg. Hier habe ich das Gefühl, ich will gegen die Illusion anschreien, die Leute wachrütteln!«.
Sie macht weiter, arbeitet immer enger auch mit Schriftstellern zusammen, die in Worte fassen, was sie erlebt hat, ob mit dem ukrainischen Star-Literaten Serhij Zhadan oder mit Navid Kermani, der in ihr seine Stimme der Gräben gefunden hat.
Was Mariana Sadovska an jenem Abend im Januar 2018 im Thalia Theater nicht erzählt: 2014 wurde das gesungene Lied über den Sohn und seine Mutter im Rahmen der Maidan-Revolution in ihrer Version aufgegriffen. Viral verbreitet es sich zu einer Art Hymne für die auf dem Platz getöteten Demonstranten.
Das zweite Lied, das sie an jenem Abend anstimmt, handelt von einem Vogel. »In der ukrainischen Mythologie ist der Vogel eine wiederkehrende und wichtige Figur«, erzählt sie. »Er überbrückt die Gräben.« ¶
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OUTERNATIONAL wird kuratiert von Elisa Erkelenz und ist ein Kooperationsprojekt von PODIUM Esslingen und VAN Magazin im Rahmen des Fellowship-Programms #bebeethoven anlässlich des Beethoven-Jubiläums 2020 – maßgeblich gefördert von der Kulturstiftung des Bundes sowie dem Land Baden-Württemberg, der Baden-Württemberg Stiftung und der L-Bank.
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