Text Cedrik Fermont
Bilder © Magda Bondos
Aus dem Englischen übersetzt von Sophie Emilie Beha
Seit vielen Jahren versuche ich, eine neue Perspektive auf die Geschichte der elektronischen, synthetischen, experimentellen und elektroakustischen Musik zu werfen. Und auch auf die der zeitgenössischen klassischen Musik, insbesondere aus Asien und Afrika. Diesmal aber wollte ich eine Playlist erstellen, die globaler ist und auch einige bekannte Persönlichkeiten enthält, die nicht systematisch in einer Auswahl elektronischer oder zeitgenössischer klassischer Musik enthalten sind.
Diese Playlist ist nicht nur eine Reise durch Zeiten und Orte, sondern auch durch Genres und manchmal transnationale oder transkontinentale Kollaborationen.
Manche der Stücke sind politisch, manche total abstrakt oder als Experiment entstanden, manche klingen heute veraltet. Andere habe ich einfach aus persönlichen Gründen aufgenommen. Ihre Komponist*innen sind entweder zu unbekannt geblieben oder zu schnell verstorben. Ich wollte auch Beziehungen, Themen und Ähnlichkeiten finden, die diese Stücke miteinander verbinden können.
Diese Auswahl muss nicht von Titel Nummer eins bis zur letzten Komposition gelesen oder gehört werden, es gibt keine Hierarchie. Ich habe versucht, die Playlist wie einen Mix zu erstellen. Die Verbindungen zwischen den Werken lassen sich zum Teil sehr leicht herstellen, andere sind nicht so offensichtlich, aber ich hoffe, Sie werden sie entdecken.
Die Sowjetunion war schon in den 1920er und 1930er Jahren weltweit führend auf dem Gebiet der elektronischen und synthetischen Musik. Das ist nicht nur Leon Theremin zu verdanken, sondern auch anderen Komponist*innen wie Arseny Avraamov und Nokolai Voinov, um nur drei zu nennen. Deswegen soll diese Playlist mit einer Komponistin aus der ehemaligen Sowjetunion beginnen.
Sofia Gubaidulina, die vor allem für ihre Kompositionen von klassischer Musik bekannt ist, experimentierte auch mit dem fotoelektronischen ANS-Synthesizer, den der russische Ingenieur Evgeny Murzin zwischen 1937 und 1957 entwickelt hat. Seine Synthesizer-Technik war nicht allzu weit entfernt vom Variophon, einem optischen Synthesizer, der 1930 von Jewgeni Scholpo entwickelt wurde. Außerdem von der Lichttonorgel aus den 1920er Jahren von Edwin Welte und von der Klangtechnik von Norman McLaren aus den 1940er Jahren oder vom Oramic, einem weiteren optischen Klangsyntheseinstrument von Daphne Oram von 1957.
Gubaidulinas Stück ist eine Reise in die Vergangenheit, eine filmische Komposition voller Emotionen.
Natela Svanidze, eine weitere Komponistin, die in der Sowjetunion tätig war, ist für ihre klassischen Werke bekannt: Sinfonien, Oratorien, aber auch einige Improvisationen und präparierte Klavierstücke. Nach fast 50 Jahren ist Epitaphium wieder aufgetaucht. Es versetzt seine Hörer*innen in die Vergangenheit. Manche bedauern, dass sie nicht mehr elektronische Stücke komponiert hat. Sie selber hat mal gesagt: »Ich bedaure sagen zu müssen, dass ich zu früh dran war ... Ich wurde für die elektronische Musik geboren, hatte aber zu meiner Zeit praktisch keine technischen Möglichkeiten, solche Musik zu schaffen... «
Mireille Chamass-Kyrou gehört leider zu den längst vergessenen Komponist*innen. Denn sie hat die GRM (Groupe de Recherches Musicales) in Paris verlassen, um sich ihrer Familie zu widmen und ihre beiden Söhne Ariel und Axel großzuziehen.
Für mich ist es kein Thema, ob das Erbe von Komponist*innen wie Chamass-Kyrou oder Natela Svanidze durch ihr Verschwinden aus der Musikszene beeinträchtigt ist, oder weil die meisten ihrer anderen Kompositionen ihre elektronischen oder experimentellen Werke verdeckt haben. Allein die Tatsache, dass diese Komponist*innen damals experimentiert haben, ist an sich schon sehr wichtig.
Nichtsdestotrotz scheint Mireille Chamass-Kyrou ein Vermächtnis hinterlassen zu haben: Ihre beiden Söhne sind seit den frühen 1980er Jahren aktive Mitglieder der Ethno-Industrial-Band Vox Populi!
Luo Jing Jing ist eine renommierte Komponistin, die in China geboren und aufgewachsen ist. Neben ihren Orchester-, Kammermusik- und Opernwerken komponiert sie seit mindestens 1986 unter anderem elektroakustische Musik und ist damit eine der ersten chinesischen Komponist*innen, die in diesem Bereich tätig waren. Dennoch wird ihr Name in der Geschichte der elektroakustischen Musik in China nur selten erwähnt, auch nicht neben anderen Pionier*innen wie Yuanlin Chen und Zhang Xiaofu, die 1984 in Peking ihre ersten Experimente mit elektronischer Musik machten.
Monologue ist nicht die einzige elektroakustische Musikkomposition, die sie gemacht hat. Auch andere Stücke sind erwähnenswert, ganz besonders Ashima Monodrama (2015-16).
Graciela Paraskevaídis war eine argentinische Schriftstellerin und Komponistin, die in Uruguay gelebt und gearbeitet hat. Seit den 1960er Jahren hat sie zeitgenössische klassische Musik, Tonbandmusik und elektroakustische Musik komponiert. Einige ihrer Kompositionen wie Huauqui oder Todavía no (1979) sind von extremem Minimalismus geprägt.
Sie ist keine Kuriosität aus einer weit entfernten Region: Elektroakustische Musik, Tonbandmusik und moderne klassische Musik sind in vielen lateinamerikanischen Ländern seit den 1950er Jahren gut vertreten. Graciela Paraskevaídis ist definitiv eine der vielen Pionier*innen, die die zeitgenössische Musik zu dem gemacht haben, was sie heute ist.
Jugoslawien hat eine reiche Geschichte an zeitgenössischer, elektronischer, experimenteller und alternativer Musik – ganz egal, ob industrielle Musik, Punk oder Tape-Experimente. Trotzdem, und möglicherweise aufgrund der Tatsache, dass das Land weder dem Westen noch dem Osten zugeneigt war und zu den Gründungsmitgliedern der Bewegung der Blockfreien Staaten gehört hat, sind viele seiner früheren oder heutigen Komponist*innen außerhalb des ehemaligen Jugoslawiens immer noch wenig bekannt.
Ich habe dieses Stück von Mladen Milićević (auch bekannt als Igor Krik) ausgewählt, weil es für mich irgendwie das widerspiegelt, was Jugoslawien war: ein Ort dazwischen. Ac. Guit könnte in klassischen Musikkreisen als Minimal-Music-Komposition wahrgenommen werden, aber es könnte auch perfekt in den Geist der unabhängigen experimentellen und industriellen Musik dieser Zeit passen.
Minimal Music (in der westlichen Kultur) drückt sich in verschiedenen Formen aus und ist teilweise in indonesischer und afrikanischer Musik verwurzelt. Cosmic Rhythm Vibrations vermischt nigerianische Rhythmen, Jazz und zeitgenössische klassische Musik. Es geht dabei nicht nur um den Rhythmus, sondern auch um die Klangfarbe, die mich an die Batak-Musik aus Sumatra erinnert.
José Maceda ist ein bekannter philippinischer Musikethnologe, Komponist und Interpret, dem es trotz der strengen Marcos-Diktatur gelang, beeindruckende Werke wie Cassettes 100 zu schaffen.
Cassette 100 (für 100 Kassettenspieler) sowie Ugnayan, eine Komposition für 20 Radiosender, sind die Kompositionen, die der musique concrète am nächsten kommen. Wer das Werk vor Ort hört, kann auch Elemente aus der Performancekunst, Klangkunst und akusmatischen Musik entdecken.
Elektroakustische oder zeitgenössische klassische Musik sind nicht gerade als besonders politische Genres bekannt. Dennoch lassen sich leicht Beispiele finden. Denn viele Komponist*innen haben Werke geschaffen, die sich mit Politik, Krieg, Geschlechterfragen usw. auseinandersetzen.
Victor Gamas Stück spricht über den Bürgerkrieg und ist sehr emotional. Sein Inhalt erinnert mich an Freddie Hubbard und İlhan Mimaroğlus Album Sing Me A Song Of Songmy (A Fantasy For Electromagnetic Tape) (1971), eines der wenigen elektroakustischen Musikalben aus dieser Zeit, das offen eine politische Antikriegs-Botschaft enthielt.
Auch die Komposition von Gülce Özen Gürkan ist gesellschaftspolitisch. Sie stellte dieses Stück für eine Kompilation von mir zur Verfügung und erklärte, dass es in Istanbul aufgrund seines Inhalts und Titels teilweise zensiert worden sei. Der Umgang mit LGBT-Rechten, Mobbing, Selbstmord und Religion ist eine große Herausforderung in der Türkei.
Als ich das Stück hörte, erinnerte es mich sofort auch an die Arbeit von İlhan Mimaroğlu. Die ›altmodische‹ Art des Komponierens und die transportierte Botschaft sind ebenso kraftvoll, wenn auch etwas rauer, aber auch berührend und entmutigend.
Gülce Özen Gürkan ist eine LGBTIQ+- und Vegan-Aktivistin, die ihre Musik als Vehikel nutzt, um ihre Ansichten als Aktivistin, Menschen- und Tierrechtsverteidigerin zu teilen.
Wie Gülce Özen Gürkan gehört auch Sukitoa o Namau zu einer neuen Generation. Auch sie eine Tierrechtsaktivistin, auch wenn sie sich nicht systematisch mit diesem Thema auseinandersetzt. Ihre Stücke sind eher abstrakt und verbinden field recordings, Elektronik und elektroakustische Verarbeitung miteinander. Dieses Stück ist eine interessante Collage aus verschiedenen Klängen wie Stimmen, Vogelgesang, Zügen und Schlaginstrumenten, die wie mutierte Rhythmen klingen.
Dieses Stück ist ein Gemeinschaftsprojekt von Künstler*innen aus Taiwan und Hongkong, eine der wenigen Veröffentlichungen von Anchih Tsai, die uns zu früh verlassen hat. Sie lebte in Dulan, einem amerikanischen Dorf in Taiwan, einem Zentrum für die Kultur der indigenen Bevölkerung. Das mag nach einem ungewöhnlichen Ort für eine experimentelle Musikkünstlerin klingen und ist vielleicht ein Grund dafür, dass sie außerhalb Taiwans, Hongkongs, Macaus und Chinas kaum bekannt ist.
Ich habe dieses Stück nicht nur wegen seiner Verbindung zur traditionellen Musik ausgewählt, sondern auch, weil Anchih mir die Gelegenheit gab, in diesem Dorf aufzutreten, und ihr Werk mich mit dieser einzigartigen Erfahrung verbindet.
Es ist eine Spur aus der Vergangenheit, von der die meisten Menschen noch nie etwas gehört haben. Ich will die experimentelle Musik, die durch Anchih Tsai entstanden ist nicht für immer begraben sehen.
Myanmar ist nicht dafür bekannt, ein Zentrum für experimentelle Musik zu sein, doch seit mehr als 15 Jahren experimentiert dort eine kleine, aber wachsende Gruppe von Komponist*innen mit Klängen und komponiert zeitgenössische klassische und frei improvisierte Musik.
Diese Komposition von Noise In Yangon/Kyaw Zin Htet ist auch mit ihrer Umgebung verbunden. Ein Stück, das eine Auswahl an Stimmen von Straßenverkäufer*innen enthält: Händler*innen, die Handys verkaufen. Die Anrufe werden mit elektronischen und traditionellen Elementen vermischt. Die Stille, vielleicht die Leere, ist faszinierend für diejenigen, die die lauten Straßen von Yangon kennen.
Void ist eine weitere Art, urbane field recordings zu erforschen, diesmal über die laute Umgebung in den Straßen von Colombo. Dieses Stück hätte auch in Yangon, Jakarta, Hanoi, Kairo oder Bangalore komponiert werden können: wahnsinniger Verkehr und pausenlos hupende Fahrzeuge. Lärm ist Teil des täglichen Lebens der Menschen, und Isuru Kumarasinghe fügt hier und da geschickt diskrete Störungen, Rückkopplungen und Geräusche ein, die die Hörer*innen zwingen, sich auf seine musikalische Ergänzung der Überschallatmosphäre zu konzentrieren.
Seit ein paar Jahren erhalten nordamerikanische indigene Komponist*innen experimenteller und zeitgenössischer klassischer Musik wie Laura Ortman oder Nathan Young, um nur einige zu nennen, langsam die wohlverdiente Anerkennung.
Bei diesem Ausschnitt handelt es sich um eine Stimmimprovisation über den elektronischen Soundtrack von Raven Chacon, einer einzigartigen modernen Oper, die keine field recordings oder Samples von traditionellen Musikstücken verwendet.
Slamet Abdul Sjukur komponierte sowohl indonesische und westliche klassische Musik als auch Tonband- und elektronische Musik. Obwohl seine erste Tonbandkomposition (Latigrak für Tonband und Gamelanorchester) 1963 entstand, ist er außerhalb Indonesiens und einiger kleiner Kreise weitgehend unbekannt.
Auch dieses Stück für Stimme und Angklung verbindet zeitgenössische klassische und traditionelle Musik miteinander und ist nicht weit entfernt von einigen Kompositionen José Macedas – beide Komponisten verbrachten einige Zeit am GRM in Paris.
Auch Jangelma ist ein sehr kraftvolles Stück, das spezifische traditionelle Musik mit zeitgenössischer klassischer Musik verbindet, ohne in die Falle der kitschigen ›Weltmusik‹ zu tappen. Vielleicht weniger abenteuerlich und definitiv nicht so experimentell wie Sjukur oder Maceda, aber für mich trotzdem ein Meisterwerk.
Dieses Stück kokettiert mit zeitgenössischer klassischer und Tonbandmusik, wobei die Stimme von Frykbergs Schwester Margaret Bendall die Komposition einleitet und abschließt. Laut Frykberg basiert ihr Werk strukturell und textlich auf dem Geburtsvorgang von Margaret.
Es ist eines der wenigen elektroakustischen Musikstücke, das sich mit einer bestimmten Realität und nicht mit reiner Abstraktion beschäftigt.
Duo Moment ist ein freies Improvisationsduo von Khabat Abas und Hardi Kurda, beides kurdische Komponist*innen. Sie verwenden ihre Streichinstrumente nicht nur im konventionellen Sinne, sondern gebrauchen sie auch für neue Techniken.
Abas stützt ihre Arbeit auf Klangforschung, beginnend mit dem akustischen, dem präparierten und dem adaptierten Cello (ein Cello aus recycelten Bomben). Kurda improvisiert und experimentiert mit der Violine, aber auch mit Elektronik (in anderen Kompositionen und Klanginstallationen).
Dieses aktuelle Stück wurde währende dem Lockdown 2020 online für das Radiokunstfestival Space21 in Kurdistan aufgeführt. Es stellt eine der noch seltenen Gelegenheiten für kurdische Künstler*innen dar, ihre zeitgenössischen Werke einem großen Publikum in Kurdistan zu präsentieren.
Ruben Abrahamyan ist für seine kammermusikalischen Kompositionen bekannt. Seit den frühen 2000er Jahren komponiert er auch elektroakustische Musik. Sortilège de Sofja ist eine brillante Komposition für fixed media, in der zuvor aufgenommene Streichinstrumente hervorragend eingesetzt werden.
Emotion Machine scheint sich auf uns Menschen und unsere verschiedenen Emotionen und Ausdrucksweisen zu beziehen. Donika Rudis erstaunlich gut durchdachtes und kraftvolles Werk verwendet nur die menschliche Stimme: Schreie, Lachen, Ausrufe, Flüstern, Weinen, Singen.
Hasnizam Abdul Wahid ist einer der Pioniere der malaysischen elektroakustischen Computermusik. Die meisten seiner Werke zeigen sein Interesse an der Erforschung von Klangwelten. Rahah ist eine Komposition, deren Klänge vom Badminton stammen, einer in Malaysia sehr beliebten Sportart. Die Hauptklangquellen kommen von den Spieler*innen und ihren Bewegungen, die dann in eine dynamische Musikkomposition umgesetzt werden.
Zad Moultka verwendet grundlegende menschliche Geräusche – wie Atmen – um damit die Klänge in Landescape zu erzeugen. Verschiedene Geräusche im Hintergrund verleihen dem ganzen Stück hin und wieder eine gewisse Spannung. Sie bezieht sich auf geschlossene Fensterläden von einem Schlafzimmer während eines Bombenangriffs und auf die imaginären Landschaften eines Kindes.
Das Werk ist nicht offen gesellschaftspolitisch, es sei denn, man liest den Text, der während der audiovisuellen Ausstellung präsentiert wird. Dennoch ist es stark emotional aufgeladen.
Kuba ist ein weiteres Land, das nur selten auf der elektroakustischen Landkarte zu finden ist, und doch sind seit den 1960er Jahren mehrere Komponist*innen aus dem Karibikstaat in diesem Bereich tätig.
Cosmos Obscura wurde ursprünglich für acht Kanäle geschaffen. Die Komposition besteht aus einer Vielzahl von Klängen aus der Natur und reiner Elektronik. Das Ergebnis ist, wie der Titel vermuten lässt, ein Stück, das an den Kosmos, die Leere, eine Reise in unbekannte Gefilde oder... reine Abstraktion erinnert. Das ist das Schöne daran.
Michael Thieke und Kai Fagaschinski sind Klarinettisten und Improvisatoren, die hier eine minimalistische und unimprovisierte Komposition vorlegen. Ohne Zweifel erinnert sie an La Monte Youngs The Second Dream Of The High Tension Line Stepdown Transformer From The Four Dreams Of China (1962). Aber In Doubt We Trust ist mehr als das. Teile der Komposition mögen elektronisch oder bearbeitet klingen, aber das sind sie wirklich nicht. Da ist eine rein akustische Komposition, ein echtes meditatives Meisterwerk.
Hasan Hujairi sagt, dass Natural Politics 2.0 eine animierte grafische Partitur ist, die erstmals 2013 im Alternative Artspace Ipo (Seoul, Südkorea) präsentiert wurde. Das Projekt erforscht den Begriff der Erzählung mit Methoden, die sich über die lineare Zeit hinaus ausdehnen können. Es ist von unendlicher Dauer, wenn es vor Ort gehört wird. Und es klingt wie ein präpariertes Klavier, in dessen Hintergrund manchmal tierische Stimmen auftauchen und verschwinden.
Contatto (Kontakt auf Italienisch) ist ein Stück, das am besten funktioniert, wenn wir die Pianistin als Performance-Künstlerin betrachten, deren Beziehung (Kontakt) mit dem Instrument uns alle Tricks zeigt, die in der Komposition verwendet werden. Anders als bei den meisten elektronischen und Tonbandmusik-Performances gibt es dieses Mal nichts hinter verschlossenen Türen.
Bakunawa ist eine Komposition für Gongstangen, Spielzeugklaviere, Harfe, Metallrohre, Bassdrum, Tom, Elektronik. Diese Komposition hat Pak Yan Lau mit ihrem Ensemble aufgeführt, bestehend aus den Musiker*innen Giovanni Di Domenico, Vera Cavallin, Joao Lobo, Mathieu Calleja und Christophe Albertijn.
In Bakunawa Part II werden Schlagwerk und Spielzeugklaviere als das eingesetzt, was sie auch sind: Percussion-Instrumente. Die Komposition erinnert ein wenig an die Klänge von indonesischen, philippinischen und malaiischen Gamelan-Orchestern. Sie erzeugt mechanische Polyrhythmen, die mich an Spielzeugmusik-Kompositionen von Christophe Petchanatz alias Klimperei erinnern.
Julia Looking For A Job eine elektronische Musikkomposition für eine synthetische Stimme. Die Stimme gehört zu einem Computer, der verzweifelt nach einem Job, nach Freund*innen und nach Liebe sucht. Aber das Werk ist mehr als das: Es ist auch ein humorvolles oder vielleicht tragikomisches Stück. Sind wir mal ehrlich: Humor ist in der elektroakustischen Musik noch abwesender als Politik. Deswegen musste dieses Stück in die Playlist.
Water ist eine von mehreren Kompositionen, die während eines Online-Workshops der Darmstädter Ferienkurse 2021 entstanden sind. Komponist*innen und Klangkünstler*innen aus drei Kontinenten waren eingeladen, während der Ferienkurse zusammenzuarbeiten. Wegen der Pandemie war ein physisches Treffen leider nicht möglich.
Asma Ghanem, Linda Mudimba, das Duo SARANA (Annisa Maharani und Sabrina Felisiana), PHER (Farzané) und [M O N R H E A] trafen sich zusammen mit AGF (Antye Greie-Ripatti) und mir (Cedrik Fermont) elf Tage lang online. Wir haben diskutiert, Erfahrungen, Ideen und field recordings ausgetauscht und dann mehrere Audios kreiert. Sie erforschen verschiedene Themen, die wie als wichtig erachtet haben, wie z.B. unsere Beziehung zur Umwelt und wie wir diese sowie unsere verschiedenen Kulturen und Sprachen in den Stücken widerspiegeln können.
FEN (Far East Network) ist ein internationales Quartett, bestehend aus Yuen Chee Wai, Yan Jun, Ryu Hankil und Otomo Yoshihide.
Side B ist ein sich langsam entwickelndes Musikstück, das freie improvisierte Musik, Ambient-Rock, Noise-Rock und Noise-Musik miteinander verbindet. Jede*r Künstler*in drückt sich auf eine andere Art und Weise aus und bringt seine*ihre eigenen umfangreichen Erfahrungen aus der experimentellen Musikszene ein. Die Musiker*innen haben ein starkes Netzwerk zwischen und innerhalb ihrer jeweiligen Länder aufgebaut. Sie wissen, wie man miteinander umgeht, und das führt zu einer Komposition, in der jedes Instrument oder jedes Geräusch die anderen unterstützt.
Okkyung Lee, Mitglied des experimentellen Kammermusikquartetts Yeo-Neun, präsentiert uns eine ziemlich unkonventionelle Art der Aufführung und Aufnahme des Cellos. Produziert und aufgenommen wurde sie von dem norwegischen Künstler Lasse Marhaug. Er stellt einmal mehr sein Können unter Beweis, aber dieses Mal nicht für empflindliche Ohren.
over the oak, under the elm ist eines der bisher rauesten Stücke von Lee, denn es kokettiert kompromisslos mit improvisierter und geräuschhafter Musik.
Earth II ist ein halbstündiges Stück, das sich langsam von einer sanften Geräuschkulisse zu einer gigantischen Wand aus verzerrtem Sound entwickelt.
Writher ist ein renommierter Noise-Music-Künstler, aber auch Hip-Hop-Produzent, der in Ho-Chi-Minh-Stadt lebt. Ich habe speziell dieses Stück für Vũ Nhật Tân ausgewählt, einen in Vietnam sehr anerkannten Komponisten. Er war einer der ältesten Komponisten und Interpreten von elektroakustischer Musik und Geräuschmusik in Vietnam und hat auch viel Kammermusik und klassische Werke komponiert. Sie verbinden die europäische klassische Musik mit der traditionellen und klassischen vietnamesischen Musik.
Leider ist er im Jahr 2020 verstorben, und das ist das letzte Stück dieser Playlist. Es ist das Lauteste und ein Beweis dafür, dass Vũ Nhật Tân keine Angst hatte, sein Publikum herauszufordern. Ich hoffe, dass man sich für immer an ihn erinnern wird.
Text Cedrik Fermont
Bilder © Magda Bondos
Aus dem Englischen übersetzt von Sophie Emilie Beha
Seit vielen Jahren versuche ich, eine neue Perspektive auf die Geschichte der elektronischen, synthetischen, experimentellen und elektroakustischen Musik zu werfen. Und auch auf die der zeitgenössischen klassischen Musik, insbesondere aus Asien und Afrika. Diesmal aber wollte ich eine Playlist erstellen, die globaler ist und auch einige bekannte Persönlichkeiten enthält, die nicht systematisch in einer Auswahl elektronischer oder zeitgenössischer klassischer Musik enthalten sind.
Diese Playlist ist nicht nur eine Reise durch Zeiten und Orte, sondern auch durch Genres und manchmal transnationale oder transkontinentale Kollaborationen.
Manche der Stücke sind politisch, manche total abstrakt oder als Experiment entstanden, manche klingen heute veraltet. Andere habe ich einfach aus persönlichen Gründen aufgenommen. Ihre Komponist*innen sind entweder zu unbekannt geblieben oder zu schnell verstorben. Ich wollte auch Beziehungen, Themen und Ähnlichkeiten finden, die diese Stücke miteinander verbinden können.
Diese Auswahl muss nicht von Titel Nummer eins bis zur letzten Komposition gelesen oder gehört werden, es gibt keine Hierarchie. Ich habe versucht, die Playlist wie einen Mix zu erstellen. Die Verbindungen zwischen den Werken lassen sich zum Teil sehr leicht herstellen, andere sind nicht so offensichtlich, aber ich hoffe, Sie werden sie entdecken.
Die Sowjetunion war schon in den 1920er und 1930er Jahren weltweit führend auf dem Gebiet der elektronischen und synthetischen Musik. Das ist nicht nur Leon Theremin zu verdanken, sondern auch anderen Komponist*innen wie Arseny Avraamov und Nokolai Voinov, um nur drei zu nennen. Deswegen soll diese Playlist mit einer Komponistin aus der ehemaligen Sowjetunion beginnen.
Sofia Gubaidulina, die vor allem für ihre Kompositionen von klassischer Musik bekannt ist, experimentierte auch mit dem fotoelektronischen ANS-Synthesizer, den der russische Ingenieur Evgeny Murzin zwischen 1937 und 1957 entwickelt hat. Seine Synthesizer-Technik war nicht allzu weit entfernt vom Variophon, einem optischen Synthesizer, der 1930 von Jewgeni Scholpo entwickelt wurde. Außerdem von der Lichttonorgel aus den 1920er Jahren von Edwin Welte und von der Klangtechnik von Norman McLaren aus den 1940er Jahren oder vom Oramic, einem weiteren optischen Klangsyntheseinstrument von Daphne Oram von 1957.
Gubaidulinas Stück ist eine Reise in die Vergangenheit, eine filmische Komposition voller Emotionen.
Natela Svanidze, eine weitere Komponistin, die in der Sowjetunion tätig war, ist für ihre klassischen Werke bekannt: Sinfonien, Oratorien, aber auch einige Improvisationen und präparierte Klavierstücke. Nach fast 50 Jahren ist Epitaphium wieder aufgetaucht. Es versetzt seine Hörer*innen in die Vergangenheit. Manche bedauern, dass sie nicht mehr elektronische Stücke komponiert hat. Sie selber hat mal gesagt: »Ich bedaure sagen zu müssen, dass ich zu früh dran war ... Ich wurde für die elektronische Musik geboren, hatte aber zu meiner Zeit praktisch keine technischen Möglichkeiten, solche Musik zu schaffen... «
Mireille Chamass-Kyrou gehört leider zu den längst vergessenen Komponist*innen. Denn sie hat die GRM (Groupe de Recherches Musicales) in Paris verlassen, um sich ihrer Familie zu widmen und ihre beiden Söhne Ariel und Axel großzuziehen.
Für mich ist es kein Thema, ob das Erbe von Komponist*innen wie Chamass-Kyrou oder Natela Svanidze durch ihr Verschwinden aus der Musikszene beeinträchtigt ist, oder weil die meisten ihrer anderen Kompositionen ihre elektronischen oder experimentellen Werke verdeckt haben. Allein die Tatsache, dass diese Komponist*innen damals experimentiert haben, ist an sich schon sehr wichtig.
Nichtsdestotrotz scheint Mireille Chamass-Kyrou ein Vermächtnis hinterlassen zu haben: Ihre beiden Söhne sind seit den frühen 1980er Jahren aktive Mitglieder der Ethno-Industrial-Band Vox Populi!
Luo Jing Jing ist eine renommierte Komponistin, die in China geboren und aufgewachsen ist. Neben ihren Orchester-, Kammermusik- und Opernwerken komponiert sie seit mindestens 1986 unter anderem elektroakustische Musik und ist damit eine der ersten chinesischen Komponist*innen, die in diesem Bereich tätig waren. Dennoch wird ihr Name in der Geschichte der elektroakustischen Musik in China nur selten erwähnt, auch nicht neben anderen Pionier*innen wie Yuanlin Chen und Zhang Xiaofu, die 1984 in Peking ihre ersten Experimente mit elektronischer Musik machten.
Monologue ist nicht die einzige elektroakustische Musikkomposition, die sie gemacht hat. Auch andere Stücke sind erwähnenswert, ganz besonders Ashima Monodrama (2015-16).
Graciela Paraskevaídis war eine argentinische Schriftstellerin und Komponistin, die in Uruguay gelebt und gearbeitet hat. Seit den 1960er Jahren hat sie zeitgenössische klassische Musik, Tonbandmusik und elektroakustische Musik komponiert. Einige ihrer Kompositionen wie Huauqui oder Todavía no (1979) sind von extremem Minimalismus geprägt.
Sie ist keine Kuriosität aus einer weit entfernten Region: Elektroakustische Musik, Tonbandmusik und moderne klassische Musik sind in vielen lateinamerikanischen Ländern seit den 1950er Jahren gut vertreten. Graciela Paraskevaídis ist definitiv eine der vielen Pionier*innen, die die zeitgenössische Musik zu dem gemacht haben, was sie heute ist.
Jugoslawien hat eine reiche Geschichte an zeitgenössischer, elektronischer, experimenteller und alternativer Musik – ganz egal, ob industrielle Musik, Punk oder Tape-Experimente. Trotzdem, und möglicherweise aufgrund der Tatsache, dass das Land weder dem Westen noch dem Osten zugeneigt war und zu den Gründungsmitgliedern der Bewegung der Blockfreien Staaten gehört hat, sind viele seiner früheren oder heutigen Komponist*innen außerhalb des ehemaligen Jugoslawiens immer noch wenig bekannt.
Ich habe dieses Stück von Mladen Milićević (auch bekannt als Igor Krik) ausgewählt, weil es für mich irgendwie das widerspiegelt, was Jugoslawien war: ein Ort dazwischen. Ac. Guit könnte in klassischen Musikkreisen als Minimal-Music-Komposition wahrgenommen werden, aber es könnte auch perfekt in den Geist der unabhängigen experimentellen und industriellen Musik dieser Zeit passen.
Minimal Music (in der westlichen Kultur) drückt sich in verschiedenen Formen aus und ist teilweise in indonesischer und afrikanischer Musik verwurzelt. Cosmic Rhythm Vibrations vermischt nigerianische Rhythmen, Jazz und zeitgenössische klassische Musik. Es geht dabei nicht nur um den Rhythmus, sondern auch um die Klangfarbe, die mich an die Batak-Musik aus Sumatra erinnert.
José Maceda ist ein bekannter philippinischer Musikethnologe, Komponist und Interpret, dem es trotz der strengen Marcos-Diktatur gelang, beeindruckende Werke wie Cassettes 100 zu schaffen.
Cassette 100 (für 100 Kassettenspieler) sowie Ugnayan, eine Komposition für 20 Radiosender, sind die Kompositionen, die der musique concrète am nächsten kommen. Wer das Werk vor Ort hört, kann auch Elemente aus der Performancekunst, Klangkunst und akusmatischen Musik entdecken.
Elektroakustische oder zeitgenössische klassische Musik sind nicht gerade als besonders politische Genres bekannt. Dennoch lassen sich leicht Beispiele finden. Denn viele Komponist*innen haben Werke geschaffen, die sich mit Politik, Krieg, Geschlechterfragen usw. auseinandersetzen.
Victor Gamas Stück spricht über den Bürgerkrieg und ist sehr emotional. Sein Inhalt erinnert mich an Freddie Hubbard und İlhan Mimaroğlus Album Sing Me A Song Of Songmy (A Fantasy For Electromagnetic Tape) (1971), eines der wenigen elektroakustischen Musikalben aus dieser Zeit, das offen eine politische Antikriegs-Botschaft enthielt.
Auch die Komposition von Gülce Özen Gürkan ist gesellschaftspolitisch. Sie stellte dieses Stück für eine Kompilation von mir zur Verfügung und erklärte, dass es in Istanbul aufgrund seines Inhalts und Titels teilweise zensiert worden sei. Der Umgang mit LGBT-Rechten, Mobbing, Selbstmord und Religion ist eine große Herausforderung in der Türkei.
Als ich das Stück hörte, erinnerte es mich sofort auch an die Arbeit von İlhan Mimaroğlu. Die ›altmodische‹ Art des Komponierens und die transportierte Botschaft sind ebenso kraftvoll, wenn auch etwas rauer, aber auch berührend und entmutigend.
Gülce Özen Gürkan ist eine LGBTIQ+- und Vegan-Aktivistin, die ihre Musik als Vehikel nutzt, um ihre Ansichten als Aktivistin, Menschen- und Tierrechtsverteidigerin zu teilen.
Wie Gülce Özen Gürkan gehört auch Sukitoa o Namau zu einer neuen Generation. Auch sie eine Tierrechtsaktivistin, auch wenn sie sich nicht systematisch mit diesem Thema auseinandersetzt. Ihre Stücke sind eher abstrakt und verbinden field recordings, Elektronik und elektroakustische Verarbeitung miteinander. Dieses Stück ist eine interessante Collage aus verschiedenen Klängen wie Stimmen, Vogelgesang, Zügen und Schlaginstrumenten, die wie mutierte Rhythmen klingen.
Dieses Stück ist ein Gemeinschaftsprojekt von Künstler*innen aus Taiwan und Hongkong, eine der wenigen Veröffentlichungen von Anchih Tsai, die uns zu früh verlassen hat. Sie lebte in Dulan, einem amerikanischen Dorf in Taiwan, einem Zentrum für die Kultur der indigenen Bevölkerung. Das mag nach einem ungewöhnlichen Ort für eine experimentelle Musikkünstlerin klingen und ist vielleicht ein Grund dafür, dass sie außerhalb Taiwans, Hongkongs, Macaus und Chinas kaum bekannt ist.
Ich habe dieses Stück nicht nur wegen seiner Verbindung zur traditionellen Musik ausgewählt, sondern auch, weil Anchih mir die Gelegenheit gab, in diesem Dorf aufzutreten, und ihr Werk mich mit dieser einzigartigen Erfahrung verbindet.
Es ist eine Spur aus der Vergangenheit, von der die meisten Menschen noch nie etwas gehört haben. Ich will die experimentelle Musik, die durch Anchih Tsai entstanden ist nicht für immer begraben sehen.
Myanmar ist nicht dafür bekannt, ein Zentrum für experimentelle Musik zu sein, doch seit mehr als 15 Jahren experimentiert dort eine kleine, aber wachsende Gruppe von Komponist*innen mit Klängen und komponiert zeitgenössische klassische und frei improvisierte Musik.
Diese Komposition von Noise In Yangon/Kyaw Zin Htet ist auch mit ihrer Umgebung verbunden. Ein Stück, das eine Auswahl an Stimmen von Straßenverkäufer*innen enthält: Händler*innen, die Handys verkaufen. Die Anrufe werden mit elektronischen und traditionellen Elementen vermischt. Die Stille, vielleicht die Leere, ist faszinierend für diejenigen, die die lauten Straßen von Yangon kennen.
Void ist eine weitere Art, urbane field recordings zu erforschen, diesmal über die laute Umgebung in den Straßen von Colombo. Dieses Stück hätte auch in Yangon, Jakarta, Hanoi, Kairo oder Bangalore komponiert werden können: wahnsinniger Verkehr und pausenlos hupende Fahrzeuge. Lärm ist Teil des täglichen Lebens der Menschen, und Isuru Kumarasinghe fügt hier und da geschickt diskrete Störungen, Rückkopplungen und Geräusche ein, die die Hörer*innen zwingen, sich auf seine musikalische Ergänzung der Überschallatmosphäre zu konzentrieren.
Seit ein paar Jahren erhalten nordamerikanische indigene Komponist*innen experimenteller und zeitgenössischer klassischer Musik wie Laura Ortman oder Nathan Young, um nur einige zu nennen, langsam die wohlverdiente Anerkennung.
Bei diesem Ausschnitt handelt es sich um eine Stimmimprovisation über den elektronischen Soundtrack von Raven Chacon, einer einzigartigen modernen Oper, die keine field recordings oder Samples von traditionellen Musikstücken verwendet.
Slamet Abdul Sjukur komponierte sowohl indonesische und westliche klassische Musik als auch Tonband- und elektronische Musik. Obwohl seine erste Tonbandkomposition (Latigrak für Tonband und Gamelanorchester) 1963 entstand, ist er außerhalb Indonesiens und einiger kleiner Kreise weitgehend unbekannt.
Auch dieses Stück für Stimme und Angklung verbindet zeitgenössische klassische und traditionelle Musik miteinander und ist nicht weit entfernt von einigen Kompositionen José Macedas – beide Komponisten verbrachten einige Zeit am GRM in Paris.
Auch Jangelma ist ein sehr kraftvolles Stück, das spezifische traditionelle Musik mit zeitgenössischer klassischer Musik verbindet, ohne in die Falle der kitschigen ›Weltmusik‹ zu tappen. Vielleicht weniger abenteuerlich und definitiv nicht so experimentell wie Sjukur oder Maceda, aber für mich trotzdem ein Meisterwerk.
Dieses Stück kokettiert mit zeitgenössischer klassischer und Tonbandmusik, wobei die Stimme von Frykbergs Schwester Margaret Bendall die Komposition einleitet und abschließt. Laut Frykberg basiert ihr Werk strukturell und textlich auf dem Geburtsvorgang von Margaret.
Es ist eines der wenigen elektroakustischen Musikstücke, das sich mit einer bestimmten Realität und nicht mit reiner Abstraktion beschäftigt.
Duo Moment ist ein freies Improvisationsduo von Khabat Abas und Hardi Kurda, beides kurdische Komponist*innen. Sie verwenden ihre Streichinstrumente nicht nur im konventionellen Sinne, sondern gebrauchen sie auch für neue Techniken.
Abas stützt ihre Arbeit auf Klangforschung, beginnend mit dem akustischen, dem präparierten und dem adaptierten Cello (ein Cello aus recycelten Bomben). Kurda improvisiert und experimentiert mit der Violine, aber auch mit Elektronik (in anderen Kompositionen und Klanginstallationen).
Dieses aktuelle Stück wurde währende dem Lockdown 2020 online für das Radiokunstfestival Space21 in Kurdistan aufgeführt. Es stellt eine der noch seltenen Gelegenheiten für kurdische Künstler*innen dar, ihre zeitgenössischen Werke einem großen Publikum in Kurdistan zu präsentieren.
Ruben Abrahamyan ist für seine kammermusikalischen Kompositionen bekannt. Seit den frühen 2000er Jahren komponiert er auch elektroakustische Musik. Sortilège de Sofja ist eine brillante Komposition für fixed media, in der zuvor aufgenommene Streichinstrumente hervorragend eingesetzt werden.
Emotion Machine scheint sich auf uns Menschen und unsere verschiedenen Emotionen und Ausdrucksweisen zu beziehen. Donika Rudis erstaunlich gut durchdachtes und kraftvolles Werk verwendet nur die menschliche Stimme: Schreie, Lachen, Ausrufe, Flüstern, Weinen, Singen.
Hasnizam Abdul Wahid ist einer der Pioniere der malaysischen elektroakustischen Computermusik. Die meisten seiner Werke zeigen sein Interesse an der Erforschung von Klangwelten. Rahah ist eine Komposition, deren Klänge vom Badminton stammen, einer in Malaysia sehr beliebten Sportart. Die Hauptklangquellen kommen von den Spieler*innen und ihren Bewegungen, die dann in eine dynamische Musikkomposition umgesetzt werden.
Zad Moultka verwendet grundlegende menschliche Geräusche – wie Atmen – um damit die Klänge in Landescape zu erzeugen. Verschiedene Geräusche im Hintergrund verleihen dem ganzen Stück hin und wieder eine gewisse Spannung. Sie bezieht sich auf geschlossene Fensterläden von einem Schlafzimmer während eines Bombenangriffs und auf die imaginären Landschaften eines Kindes.
Das Werk ist nicht offen gesellschaftspolitisch, es sei denn, man liest den Text, der während der audiovisuellen Ausstellung präsentiert wird. Dennoch ist es stark emotional aufgeladen.
Kuba ist ein weiteres Land, das nur selten auf der elektroakustischen Landkarte zu finden ist, und doch sind seit den 1960er Jahren mehrere Komponist*innen aus dem Karibikstaat in diesem Bereich tätig.
Cosmos Obscura wurde ursprünglich für acht Kanäle geschaffen. Die Komposition besteht aus einer Vielzahl von Klängen aus der Natur und reiner Elektronik. Das Ergebnis ist, wie der Titel vermuten lässt, ein Stück, das an den Kosmos, die Leere, eine Reise in unbekannte Gefilde oder... reine Abstraktion erinnert. Das ist das Schöne daran.
Michael Thieke und Kai Fagaschinski sind Klarinettisten und Improvisatoren, die hier eine minimalistische und unimprovisierte Komposition vorlegen. Ohne Zweifel erinnert sie an La Monte Youngs The Second Dream Of The High Tension Line Stepdown Transformer From The Four Dreams Of China (1962). Aber In Doubt We Trust ist mehr als das. Teile der Komposition mögen elektronisch oder bearbeitet klingen, aber das sind sie wirklich nicht. Da ist eine rein akustische Komposition, ein echtes meditatives Meisterwerk.
Hasan Hujairi sagt, dass Natural Politics 2.0 eine animierte grafische Partitur ist, die erstmals 2013 im Alternative Artspace Ipo (Seoul, Südkorea) präsentiert wurde. Das Projekt erforscht den Begriff der Erzählung mit Methoden, die sich über die lineare Zeit hinaus ausdehnen können. Es ist von unendlicher Dauer, wenn es vor Ort gehört wird. Und es klingt wie ein präpariertes Klavier, in dessen Hintergrund manchmal tierische Stimmen auftauchen und verschwinden.
Contatto (Kontakt auf Italienisch) ist ein Stück, das am besten funktioniert, wenn wir die Pianistin als Performance-Künstlerin betrachten, deren Beziehung (Kontakt) mit dem Instrument uns alle Tricks zeigt, die in der Komposition verwendet werden. Anders als bei den meisten elektronischen und Tonbandmusik-Performances gibt es dieses Mal nichts hinter verschlossenen Türen.
Bakunawa ist eine Komposition für Gongstangen, Spielzeugklaviere, Harfe, Metallrohre, Bassdrum, Tom, Elektronik. Diese Komposition hat Pak Yan Lau mit ihrem Ensemble aufgeführt, bestehend aus den Musiker*innen Giovanni Di Domenico, Vera Cavallin, Joao Lobo, Mathieu Calleja und Christophe Albertijn.
In Bakunawa Part II werden Schlagwerk und Spielzeugklaviere als das eingesetzt, was sie auch sind: Percussion-Instrumente. Die Komposition erinnert ein wenig an die Klänge von indonesischen, philippinischen und malaiischen Gamelan-Orchestern. Sie erzeugt mechanische Polyrhythmen, die mich an Spielzeugmusik-Kompositionen von Christophe Petchanatz alias Klimperei erinnern.
Julia Looking For A Job eine elektronische Musikkomposition für eine synthetische Stimme. Die Stimme gehört zu einem Computer, der verzweifelt nach einem Job, nach Freund*innen und nach Liebe sucht. Aber das Werk ist mehr als das: Es ist auch ein humorvolles oder vielleicht tragikomisches Stück. Sind wir mal ehrlich: Humor ist in der elektroakustischen Musik noch abwesender als Politik. Deswegen musste dieses Stück in die Playlist.
Water ist eine von mehreren Kompositionen, die während eines Online-Workshops der Darmstädter Ferienkurse 2021 entstanden sind. Komponist*innen und Klangkünstler*innen aus drei Kontinenten waren eingeladen, während der Ferienkurse zusammenzuarbeiten. Wegen der Pandemie war ein physisches Treffen leider nicht möglich.
Asma Ghanem, Linda Mudimba, das Duo SARANA (Annisa Maharani und Sabrina Felisiana), PHER (Farzané) und [M O N R H E A] trafen sich zusammen mit AGF (Antye Greie-Ripatti) und mir (Cedrik Fermont) elf Tage lang online. Wir haben diskutiert, Erfahrungen, Ideen und field recordings ausgetauscht und dann mehrere Audios kreiert. Sie erforschen verschiedene Themen, die wie als wichtig erachtet haben, wie z.B. unsere Beziehung zur Umwelt und wie wir diese sowie unsere verschiedenen Kulturen und Sprachen in den Stücken widerspiegeln können.
FEN (Far East Network) ist ein internationales Quartett, bestehend aus Yuen Chee Wai, Yan Jun, Ryu Hankil und Otomo Yoshihide.
Side B ist ein sich langsam entwickelndes Musikstück, das freie improvisierte Musik, Ambient-Rock, Noise-Rock und Noise-Musik miteinander verbindet. Jede*r Künstler*in drückt sich auf eine andere Art und Weise aus und bringt seine*ihre eigenen umfangreichen Erfahrungen aus der experimentellen Musikszene ein. Die Musiker*innen haben ein starkes Netzwerk zwischen und innerhalb ihrer jeweiligen Länder aufgebaut. Sie wissen, wie man miteinander umgeht, und das führt zu einer Komposition, in der jedes Instrument oder jedes Geräusch die anderen unterstützt.
Okkyung Lee, Mitglied des experimentellen Kammermusikquartetts Yeo-Neun, präsentiert uns eine ziemlich unkonventionelle Art der Aufführung und Aufnahme des Cellos. Produziert und aufgenommen wurde sie von dem norwegischen Künstler Lasse Marhaug. Er stellt einmal mehr sein Können unter Beweis, aber dieses Mal nicht für empflindliche Ohren.
over the oak, under the elm ist eines der bisher rauesten Stücke von Lee, denn es kokettiert kompromisslos mit improvisierter und geräuschhafter Musik.
Earth II ist ein halbstündiges Stück, das sich langsam von einer sanften Geräuschkulisse zu einer gigantischen Wand aus verzerrtem Sound entwickelt.
Writher ist ein renommierter Noise-Music-Künstler, aber auch Hip-Hop-Produzent, der in Ho-Chi-Minh-Stadt lebt. Ich habe speziell dieses Stück für Vũ Nhật Tân ausgewählt, einen in Vietnam sehr anerkannten Komponisten. Er war einer der ältesten Komponisten und Interpreten von elektroakustischer Musik und Geräuschmusik in Vietnam und hat auch viel Kammermusik und klassische Werke komponiert. Sie verbinden die europäische klassische Musik mit der traditionellen und klassischen vietnamesischen Musik.
Leider ist er im Jahr 2020 verstorben, und das ist das letzte Stück dieser Playlist. Es ist das Lauteste und ein Beweis dafür, dass Vũ Nhật Tân keine Angst hatte, sein Publikum herauszufordern. Ich hoffe, dass man sich für immer an ihn erinnern wird.
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OUTERNATIONAL wird kuratiert von Elisa Erkelenz und ist ein Kooperationsprojekt von PODIUM Esslingen und VAN Magazin im Rahmen des Fellowship-Programms #bebeethoven anlässlich des Beethoven-Jubiläums 2020 – maßgeblich gefördert von der Kulturstiftung des Bundes sowie dem Land Baden-Württemberg, der Baden-Württemberg Stiftung und der L-Bank.
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